Bürgschaft auf erstes Anfordern: Bürge ist zur Zahlung verpflichtet
Bürgschaft auf erstes Anfordern: Bürge ist zur Zahlung verpflichtet
Das Urteil des Oberlandesgerichts Saarbrücken vom 23. Juni 2022 (Aktenzeichen: 4 U 107/21) bestätigt die Entscheidung des Landgerichts Saarbrücken (Aktenzeichen: 1 O 475/19) und behandelt eine komplexe rechtliche Auseinandersetzung um die Durchsetzbarkeit einer Bürgschaft auf erstes Anfordern. Im Zentrum steht die Frage, ob die Inanspruchnahme der Bürgschaft durch die Klägerin, eine Bauträgerin, gegen die beklagte Bank gerechtfertigt ist. Die Klägerin verlangt die Zahlung eines Betrags von 226.100 € aufgrund einer Bürgschaft, die zur Sicherung eines Werkvertrages gestellt wurde.
Sachverhalt
Die Klägerin, eine Bauträgerin, beauftragte die Streithelferin der Beklagten, ein vollautomatisches Parksystem für eine Wohnanlage zu errichten. Der vereinbarte Werklohn betrug 190.000 € netto bzw. 226.100 € brutto. Zur Absicherung ihrer Vorauszahlung in gleicher Höhe verlangte die Klägerin eine Bankbürgschaft. Die Beklagte stellte eine Bürgschaftsurkunde aus, die eine Zahlungspflicht auf erstes Anfordern bis zu 226.100 € vorsah.
Im Laufe der Vertragsdurchführung verzögerte sich die Fertigstellung des Parksystems erheblich, und es kam zu mehreren Verlängerungen der Bürgschaftslaufzeit. Die Klägerin erklärte schließlich den Rücktritt vom Werkvertrag, da das Parksystem mangelhaft war und nicht abgenommen werden konnte. In der Folge forderte die Klägerin die Beklagte zur Zahlung des Bürgschaftsbetrags auf.
Prozessverlauf
In der ersten Instanz vor dem Landgericht Saarbrücken wurde die Beklagte zur Zahlung des Bürgschaftsbetrags verurteilt. Die Streithelferin der Beklagten legte Berufung ein und argumentierte, die Bürgschaft auf erstes Anfordern sei missbräuchlich geltend gemacht worden, da nach den vertraglichen Vereinbarungen lediglich eine einfache Bürgschaft geschuldet gewesen sei.
Entscheidung des Oberlandesgerichts
Das Oberlandesgericht Saarbrücken wies die Berufung zurück und bestätigte das Urteil des Landgerichts. Es wurde entschieden, dass die Beklagte aus der Bürgschaft auf erstes Anfordern zur Zahlung verpflichtet ist.
Wesentliche Gründe
- Wirksamkeit der Bürgschaft auf erstes Anfordern:
- Die Beklagte hatte sich in der Bürgschaftsurkunde eindeutig zur Zahlung auf erstes Anfordern verpflichtet. Eine solche Bürgschaft dient dazu, dem Gläubiger schnell Liquidität zu verschaffen. Einwände des Bürgen sind in der Regel erst im Rückforderungsprozess zu klären.
- Die Beklagte hatte sich in der Bürgschaftsurkunde eindeutig zur Zahlung auf erstes Anfordern verpflichtet. Eine solche Bürgschaft dient dazu, dem Gläubiger schnell Liquidität zu verschaffen. Einwände des Bürgen sind in der Regel erst im Rückforderungsprozess zu klären.
- Kein Missbrauch der formalen Rechtsstellung:
- Das Gericht verwarf den Einwand der Beklagten, dass die Klägerin ihre formale Rechtsstellung missbrauche. Zwar hätten die Parteien im Werkvertrag nur eine einfache Bürgschaft vereinbart, doch dies sei für die Wirksamkeit der Bürgschaft auf erstes Anfordern nicht entscheidend.
- Das Gericht verwarf den Einwand der Beklagten, dass die Klägerin ihre formale Rechtsstellung missbrauche. Zwar hätten die Parteien im Werkvertrag nur eine einfache Bürgschaft vereinbart, doch dies sei für die Wirksamkeit der Bürgschaft auf erstes Anfordern nicht entscheidend.
- Eindeutige Vertragslage:
- Das Oberlandesgericht stellte fest, dass die Bürgschaftsurkunde keinen Zweifel daran lässt, dass die Beklagte zur Zahlung verpflichtet ist. Die Klägerin hatte das Schreiben der Streithelferin zur Verlängerung der Bürgschaft abgelehnt und dennoch eine fristgerechte Forderung geltend gemacht.
- Das Oberlandesgericht stellte fest, dass die Bürgschaftsurkunde keinen Zweifel daran lässt, dass die Beklagte zur Zahlung verpflichtet ist. Die Klägerin hatte das Schreiben der Streithelferin zur Verlängerung der Bürgschaft abgelehnt und dennoch eine fristgerechte Forderung geltend gemacht.
- Zeitliche Befristung der Bürgschaft:
- Die zeitliche Befristung der Bürgschaft bis zum 31. Mai 2016, verlängert bis zum 28. Februar 2017, war lediglich eine Festlegung des Haftungszeitraums, nicht jedoch ein Ausschluss der Zahlungspflicht nach Ablauf dieser Fristen.
Kostenentscheidung und weitere Rechtsmittel
Das Gericht entschied, dass die Kosten des Berufungsverfahrens von der Streithelferin der Beklagten zu tragen sind. Zudem wurden die Urteile des Landgerichts und des Oberlandesgerichts für vorläufig vollstreckbar erklärt. Eine Revision wurde nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorlagen. Weder hatte die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch war eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.
Fazit
Das Urteil verdeutlicht die Bedeutung von Bürgschaften auf erstes Anfordern und die strengen Anforderungen, die an den Einwand des Rechtsmissbrauchs gestellt werden. Selbst wenn eine Bürgschaft auf erstes Anfordern über den ursprünglich vereinbarten Sicherheitsrahmen hinausgeht, ist der Bürge grundsätzlich zur Zahlung verpflichtet, es sei denn, es liegt ein offensichtlicher Rechtsmissbrauch vor. Die Entscheidung stärkt die Position von Gläubigern, die auf Bürgschaften auf erstes Anfordern angewiesen sind, um schnelle Liquidität zu gewährleisten.